Ende August hat Joy ihren ersten Geburtstag gefeiert, nicht nur im Leben eines Familienhundes ein Meilenstein! Bei einem potenziellen Assistenzhundekandidaten ist das so das Alter, in dem man so langsam sehen kann, ob der betreffende Hund denn für eine Ausbildung als Assistenzhund überhaupt in Frage kommt.
Die gültige Assistenzhundeverordnung (AHundV) macht da unter §9 klare Aussagen: zum einen muss der Hund natürlich gesundheitlich in der Lage sein, diesen oft auch körperlich anspruchsvollen Job überhaupt ausüben zu können. Da ein Hund (mit Ausnahme von Warn- und Anzeigehunden) überhaupt erst mit 15 Monaten in die Spezialausbildung gehen kann, ein gesundheitliches Attest aber höchstens drei Monate alt sein darf, ist 12 Monate logischerweise der früheste Zeitpunkt, an dem eine solche Untersuchung Sinn macht. Ehrlich gesagt warte ich mit dem Röntgen auch gerne länger um sicherzugehen, dass die Wachstumsfugen wirklich geschlossen, der Hund also ausgewachsen ist. Bei den meisten Zuchtverbänden ist 15 Monate nämlich auch das früheste Alter, in denen der Hund auf HD/ED/OCD/LÜW ausgewertet werden darf. Hier wird also durch Röntgen geschaut, ob es potenziell Probleme im Bewegungsapparat gibt. Da lassen wir uns also noch ein bisschen Zeit.
Zum anderen kann die Ausbildungsstätte in diesem Alter aber auch einschätzen, was Temperament, Lernwilligkeit und bisherige Erfahrungen angeht. Theoretisch kann man da einfach eine Bescheinigung schreiben – idealerweise sollte diese natürlich auch den Tatsachen entspechen. Das fühlt sich aber irgendwie etwas komisch an, bei einem Hund in Fremdausbildung. Schließlich stellt man sich da selber eine Bestätigung aus. Ich gehe da aber gerne nach österreichischem Vorbild vor; nicht der Ausbilder selber, sondern eine unabhängige dritte Instanz schaut sich den Hund in einer Prüfungssituation an, und beurteilt Trainingsstand und Temperament des Anwärters. Da wir in Deutschland keine Prüfungsinstanz wie das Messerli Institut haben, treten unsere Hunde also bei einer Hundeführerschein- oder vergleichbaren Prüfung an.
In eine solche Bescheinigung gehen ja einige Überlegungen ein. Zunächst einmal soll sich der Hund „im Hinblick auf seine körperliche Beschaffenheit, Rassezugehörigkeit und Erscheinungsform“ (Artikel 9.2 AHundV) für die angedachte Assistenzhundeart eignen. Joy soll ein PSB-Assistenzhund werden, da passt ein aufmerksamer, sensibler und sehr auf seinen Menschen bezogener Aussie gut ins Bild. Die mittlere Größe sorgt dafür, dass Joy gut überall hin mitgenommen werden kann – zur Not passt sie aber auch mal auf den Schoß.
Den „bei Abschluss der Ausbildung den für einen Assistenzhund erforderlichen Gehorsam“ (Artikel 9.3 AHundV) wird sie sicher zeigen – sie ist lernwillig, ausdauernd und kann sich gut auf ihren Trainer konzentrieren. Das liegt also an mir oder einem etwaigen Selbstausbilder, die Ausbildungsinhalte auch richtig und nachhaltig zu vermitteln.
Joy wurde bislang weder zu Schutz- und Wachdienst noch als Herdenschutzhund eingesetzt (auch wenn sie manchmal meint, wir brauchen jemanden der uns sagt wenn jemand auf dem Hof vorfährt) und für einen Einsatz als Zuchthündin wäre sie sowieso viel zu jung. Können wir also getrost verneinen.
Auch das in Artikel 9.6 geforderte erfoderliche Sozial- und Umweltverhalten ist mit Abschluss der Ausbildung sicher vorhanden. Wir üben fleissig und Joy ist eine selbstbewusste junge Dame, die soziale Interaktionen altersgerecht navigiert. Erwähnt werden in der Verordnung unter anderem Sozialkompetenzen im Kontakt mit Menschen, Artgenossen und anderen Tieren, Konzentrationsfähigkeit, Kooperations und Gehorsamsbereitschaft und eine hohe Stress- und Frustrationstoleranz. Diese Eigenschaften werden mit den aktuellen Hundeführerscheinprüfungen vom BHV oder IBH ganz gut abgebildet. Bei den Prüfungen darf man dem Hund noch helfen zum Beispiel Begegnungssituationen zu meistern – in der Assistenzhundeprüfung wird von dem dann ausgebildeten Hund natürlich deutlich mehr verlangt. Deswegen finde ich ist der Hundeführerschein ein guter Einstieg und wie oben gesagt eben auch eine Überprüfung des Trainingsstands von aussen.
Joy hat die Hundeführerscheinprüfung vom BHV am Wochenende bestanden. Gelaufen ist sie eine solide Stufe 3 Prüfung. Im Gehorsamsteil wird dabei geschaut ob sie sich überall anfassen und man sie auch mal wie beim Tierarzt fixieren kann, außerdem hat sie gezeigt dass sie einen Maulkorb tragen und einen Kauartikel ausgeben kann und einen Rückruf hat. Nicht geklappt hat das Bleiben über 2 Minuten auf 30 Schritte Abstand – das müssen wir weiter festigen.
Im zweiten Teil wird bei einem Spaziergang überprüft wie sich der Hund in Begegnungssituationen verhält; ein Fußgänger schüttelt dem Hundehalter die Hand, ein angeleinter Hund geht vorbei, ein anderer bleibt samt Halter stehen und fängt ein Schwätzchen an (der Halter, nicht der Hund), Fahrräder, Roller, spielende Kinder und seltsam gekleidete Menschen passieren, ebenso wie Rollstuhlfahrer, Menschen mit Krücken oder Nordic Walking Stöcken. Stufe 3 bedeutet, dass der Hund frei laufen kann und nur nach Bedarf heran gerufen und angeleint wird – um ihn zu sichern oder einfach um dem Gegenüber zu signalisieren dass man ihn gesehen hat und der Hund unter Kontrolle ist. Joy klebte an meinem Bein, war auch für einen Rückruf kaum los zu werden und musste von der Prüferin regelrecht weg gelockt werden – nur um dann beim Pfiff pfeilschnell wieder angeschossen zu kommen. Von der ausgelegten Verleitung in Form von Käse/Wurst/Schinken konnte ich sie ebenfalls problemlos abrufen. Aber auch in dem Prüfungsteil gab es seitens der Prüferin etwas zu beanstanden: die erste Aufregung war doch sehr groß und die ersten 50 Meter an der Leine alles andere als schön. Ich hätte sie einfach los machen sollen, denn ohne Leine kommt sie bei Begegnungen automatisch ans Bein…
Der dritte Teil findet dann in einer städtischen Umgebung statt; wir waren in einem Geschäft, einem Café und in größeren Menschenmengen sowie an einer stark befahrenen Straße unterwegs. Eigentlich kein Thema für Joy, aber auch hier war die Leinenführigkeit nicht so zuvverlässig, sie wollte immer mal wieder in Geschäftseingänge zum Schnuppern, das wurde von der Prüferin als nicht akzeptabel bewertet. Und da mir nicht bewusst gewesen war, dass sie die Leinenführigkeit auch den Spazierteil als inakzeptabel bewertet hatte (sonst hätte ich da die Leine noch mal dran gemacht, als sie sowieso an meinem Bein klebte) wurde aus der Stufe 3 eine Stufe 1 – zwei Übungen galten als nicht bestanden. Nun gut, da wissen wir auf jeden Fall, was wir weiter üben müssen.
Jedenfalls kann ich ihr jetzt zum externen Hundeführerschein guten Gewissens die generelle Eignung zur Ausbildung als Assistenzhunde bescheinigen. Damit kann das Training dann richtig los gehen. In den nächsten drei Monaten werden wir weiter am Umwelt- und Sozialverhalten feilen und den Grundgehorsam weiter festigen und generalisieren, aber auch damit beginnen, Grundlagen für Assistenzleistungen zu legen (Dinge wie Apportieren, Ziehen, Drücken, Anzeigeverhalten, etc.). Giftköderprävention und Medical Training stehen ebenfalls auf dem Programm. Letzteres gipfelt dann in der medizinischen Untersuchung inklusive Röntgen des Bewegungsapparats. Eine genetische Auswertung gibt es bereits – die habe ich bereits im Alter von wenigen Wochen machen lassen, das war ein Kriterium für die Auswahl des Welpen aus dem Wurf. Joy ist genetisch in allen Punkten frei, die Aussies schon mal auf einem Allel tragen.
Ja, und dann ist sie auch schon 15 Monate alt, und es kann mit der eigentlichen Ausbildung begonnen werden; für die Assistenzhundeprüfung müssen dann mindestens 5 Hilfeleistungen aus der entsprechenden Assistenzhundesparte gezeiht werden. Die werden dann aber natürlich ganz individuell auf den Assistenznehmer zugeschitten und auch mit diesem trainiert.
Stay tuned …
